„Stimmung in der Truppe war überragend“ – Erinnerungen an die Meisterelf 2005
Der damalige Spieler der Ersten und heutige TSV-Geschäftsführer André Neuser blickt nochmal auf die Landesliga-Meisterschaft 2005 zurück und plaudert – vor dem Comebach der Meisterelf gegen die Traditionsmannschaft der Sportfreunde Siegen am Samstag (16.30 Uhr) aus dem Nähkästchen.
Frage: André, was war aus Deiner Sicht der große Trumpf der Meisterelf? Es war ja nicht so, dass der TSV von Anfang an als Favorit gehandelt wurde. In den einschlägigen Artikeln, in der sich Trainer und Verantwortliche aller Mannschaften vor der Saison auf Aufstiegskandidaten festlegen, fehlte der Name TSV Weißtal in den Aufzählungen nahezu komplett.
André Neuser: Die Stimmung innerhalb der Truppe war gut, aufgrund eines respektablen achten Tabellenplatzes in der Vorsaison mit 15 Punkten Vorsprung auf das rettende Ufer. Für einen Aufsteiger ein alles andere als schlechtes Abschneiden. Diese Truppe, die ja zu einem Großteil noch aus der Bezirksliga-Meisterelf aus dem Jahre 2003 bestand, war schon intakt. Unseren Top-Torjäger Regep Banushi, der maßgeblich zum guten Abschneiden im ersten Landesliga-Jahr beigetragen hatte, zog es allerdings zur SG Wattenscheid. Ihn galt es zu ersetzen, und das gelang durch einige Neuzugänge. Unter anderem kamen mit Rainer Willmann, Marco Schenkl, Stefan Müller drei gestandene Kicker und mit Konstantin Volz und Steven Reuter zwei gut ausgebildete Jugendspieler aus der Siegener A-Jugend, Vitali Jantz hatte trotz jungen Alters schon Oberliga-Erfahrung gesammelt. Sportlich und vor allem menschlich waren die „Neuen“ top und waren sofort integriert. Somit war relativ schnell ein guter Geist in der Truppe, der sich letztendlich als der große Trumpf auf dem Weg zum Aufstieg erweisen sollte.
Frage: Es geistert das Gerücht um, dass die Meisterelf auch gerne schon mal das ein oder andere Bierchen zu sich nahm.
Neuser (lächelt): Das habe ich auch gehört, geplant war es jedenfalls anders: Trainer Scherzer wollte zu Beginn der Vorbereitung ein Alkoholverbot über die gesamte Zeit der Vorbereitung aushängen. Auch wenn wir nicht zum unmittelbaren Favoritenkreis gehörten, hatten wir ja Großes vor. Die Pläne des Trainers wurden jedoch bereits nach dem ersten Training durch unseren Slater (Christian Vitt) mit den Worten: „Ja Trainer, dann wom mer aufhören“ ad acta gelegt. Zwei Rähmchen nach Training oder Spiel waren nichts Ungewöhnliches. Geschadet hat es, wenn man das Saisonende bedenkt, wohl auch nicht und für den Zusammenhalt und den Spaß war es sogar förderlich. Ich denke zudem, dass hat uns nach außen auch immer als sympathisch wirken lassen, was sich letztendlich darin wiedergespiegelt hat, dass viele neutrale Zuschauer (ob Jung oder Alt) in der Zeit den Weg zum Henneberg gefunden haben. Mit der Truppe konnte man sich einfach identifizieren und nach dem Spiel auch im Sportheim schon mal ordentlich abfeiern.
Frage: Viele der TSV-Fans erinnern sich noch an das letzte Hinrunden-Spiel auf reifbedecktem Henneberg gegen den VSV Wenden. Nachdem an diesem Tag nach und nach alle angesetzten Jugendspiele wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt wurden, hat Ihr dann gespielt, nachdem das Schiedsrichter-Gespann überzeugt wurde, dass der Platz bespielbar ist. Ihr verlort schließlich mit 0:3, da Ihr mit den Platzverhältnissen gar nicht zurecht gekommen seid. Trotzdem habt Ihr nach der Hinrunde schon in der Spitzengruppe mitgemischt und dann wurde die Truppe ja noch namhaft verstärkt.
Neuser: Ja, das „legendäre“ Wenden-Spiel. Das war mehr Schlittschuhlaufen als Fußball. Trotzdem haben wir nach dem Spiel eine der berühmt-berüchtigten Feten im Sportheim gefeiert. Selbst dem Schiedsrichter-Gespann gefiel es so gut, dass wir gemeinsam auf den Tischen getanzt haben. Einige von uns fuhren sogar noch nach Siegen, wo die eine oder andere Lokalität aufgesucht wurde. Wir waren also keine „Schönwettertruppe“, wir konnten sogar schon mal eine Niederlage feiern. Allzu viele gab es ja zum Glück nicht. Die Hinrunde war schon gut und wir hatten Tuchfühlung nach ganz oben. Dann haben wir uns mit Christian Remmers, der aus der Zweiten Mannschaft der Sportfreunde (damals noch Oberliga) kam. Sebstian Nachilo zog es von Fortuna Köln auf den Henneberg, er war sogar mit Regionalliga-Erfahrung ausgestattet. Dritte im Bunde war Mehmet Er Top-Stürmer vom Klassenrivalen SV Attendorn. Als Mehmet kam, kannten wir Ihn eigentlich nur als unangenehmen Gegenspieler der uns in den anderthalb Spielzeiten zuvor regelmäßig 2 bis 3 Stück einschenkte. Sein Wechsel ging meines Wissens nicht komplett geräuschlos über die Bühne. Wie schnell er sich aber damals akklimatisierte und durch seine 20 Tore in der Rückrunde einen großen Teil zum Aufstieg beigetragen hat, war schon Wahnsinn. Trotz seiner vielen Tore, er wurde am Saisonende mit 27 Toren Torschützenkönig, hat er sich nie wichtiger genommen als andere. Auch er wusste, er kann nur mit dem Rest der Truppe funktionieren. Ab da war das Ziel klar….
Frage: Der Konkurrenzkampf muss ja ab diesem Zeitpunkt noch größer gewesen sein als zuvor?
Neuser: Ja, das war er wohl und im Training flogen schon mal gewaltig die Brocken. Trotzdem blieb die Stimmung in der Truppe überragend. Am eigenen Leibe musste ich ja erfahren wie bitter die Situation sein konnte, machte ich in der Rückrunde doch viele Spiele in der zweiten Welle. Trotzdem haben die Spieler, die hinten dran waren, immer mitgefiebert und alles im Sinne der Mannschaft gegeben, vielleicht vergleichbar mit der WM 2014, wobei die Nationalelf „nur“ acht Wochen auf ihr großes Ziel hingearbeitet hat, wir hingegen eine ganze Saison lang. Sonntags waren wir von 1-20, inklusive Trainer und Betreuer ein verschworener Haufen. Viele Mannschaften hatten gehörigen Respekt vor uns, nicht nur wegen unseres Fußballs, auch vor unserer Mentalität während den 90 min, die vom Trainerteam vorgelebt wurde. Nicht zu vergessen, die teils frenetischen Zuschauer, die uns in kritischen Situationen immer nach vorne gepusht haben, auch deswegen hatte mancher Gegner am Henneberg die Hosen teilweise ganz schön voll gehabt.
Frage: Gibt es für Dich ein konkretes Beispiel, das verdeutlicht, was für ein eingeschworener Haufen Ihr damals ward?
Neuser: Ein Meilenstein zum Titelgewinn war ein hart umkämpfter 3:2-Auswärtssieg beim Abstiegskandidaten Hellas Lüdenscheid. Auf Asche und vor einem immens heißen Heimpublikum konnten wir das Spiel gewinnen. Interessant war das in diesem Match, dass ein Spieler wie Daniel Ruiz, der in dem Jahr ein absoluter Leistungsträger war, bereits in der ersten Hälfte gelb-rot gefährdet ausgewechselt werden musste, und die Spieler, die sonst nicht so im Vordergrund standen, die Partie nach Hause geschaukelt haben. Das zeigt wie homogen diese Truppe war. Highlight waren die gefühlt 250 Souflaki-Spieße, die Dirk Duschath nach dem Spiel ausgegeben hat. Zeitgleich kam die frohe Kunde, dass Werdohl verloren hatte. Somit reichte uns ein Sieg aus den letzten 2 Spielen. So lange wollten wir aber nicht warten. Gleich im nächsten Spiel ging es nach Schönau zum VSV Wenden. Dort hatten wir ja noch was gut zu machen und gefroren war der Platz dieses Mal nicht, im Gegenteil. Es war brütend heiß. Zur Halbzeit stand es 1:1, Wenden hielt recht gut mit und glich die Führung durch Vitali Jantz aus. Bei dem einen oder anderen Weißtaler Zuschauer unterm Stadiondach machte sich Nervosität breit. Doch dann ging es Schlag auf Schlag. Wir gewannen schließlich 7:1, wobei „Memo“ Er sogar noch einen Elfmeter verschoss. Unsere Zuschauer liefen bereits nach dem 5:1 per Polonaise, die vom Präsidenten Thomas Steiner angeführt wurde, um den Platz. Nach dem Schlusspfiff brachen alle Dämme. Ich glaube, wir haben tagelang gefeiert. Das letzte Saisonspiel verloren wir dann völlig entkräftet und teilwiese noch stark alkoholisiert mit 2:4 gegen Haspe. Geärgert hat sich darüber niemand, denn die durch das Spiel unterbrochene Feier sollte ja weitergehen. Stopp, nicht ganz. Unser Keeper Oli Broska war angefressen, denn er hatte sich vorgenommen, unter 30 Gegentore zu kassieren. Mit den vieren gegen Haspe waren es dann 31.
Frage: Gibt es noch Anekdoten, die Dir spontan einfallen?
Neuser: Na klar, sogar mehrere. Aber um den Rahmen nicht zu sprengen, gebe ich zwei Stück zum Besten. Wer mehr erfahren will, muss am Samstag am Henneberg vorbeischauen. Auf der Hinfahrt zum Spiel nach Dröschede hat Stefan Müller sich noch schön einen kalten (!!!) BigMac vom Vorabend reingezogen, sofern man 3 Uhr in der Frühe überhaupt noch als Vorabend bezeichnen konnte. Das nennt man gesunde Sportlernahrung bei ausreichend Regenerationszeit vor dem Spiel. Und dass auf den Busfahrten auswärts im Bus Alkohol und Zigaretten konsumiert wurden, dass teilweise schon auf der Hinfahrt gesungen wurde und man im Bus kaum nach von vorne bis hinten sehen konnte, kam des Öfteren vor. Der Haken an der Sache: Es handelte sich nicht um einen Fanbus, diese saßen hinten, die Mannschaft nahm vorne Platz. Heutzutage, nicht nur wegen des Rauchverbots, undenkbar. Der Hammer an der Sache war, dass unsere Spieler, die sich auch gerne mal ein Kippchen gegönnt haben, und davon hatten wir einige im Kader, teilweise mit nach hinten sind und eine mitgeraucht haben. Gerne hat man dabei einen Plausch mit den Fans gehalten, was zu einem tollen Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Zuschauern beigetragen hat. Unser Team kam einfach sympathisch rüber. Wir hatten wirklich nicht einen Quertreiber dabei. Und wenn mal jemand drohte, abzuheben, haben wir ihn als Mannschaft sofort auf den Teppich zurückgeholt. Da wird es am Samstag sicher einiges zu berichten geben.
Ich freue mich riesig auf Samstag, all die positiv Verrückten wieder zu sehen. Ich bin unheimlich froh darüber, ein Teil dieser Truppe gewesen zu sein und das auch am Samstag noch mal für ein paar Stunden sein zu dürfen. Vergessen möchte ich natürlich nicht das Team drum herum. (Martin Stockschläder, Gabi und Tom Steiner, Nobbi Schneider, Dirk „Duschie“ Duschath, Frank Kühn, Hubbi Görg, dem ich im Namen der Aufstiegstruppe gute Besserung wünsche… und die vielen Zuschauer, die Woche für Woche, ob auswärts oder daheim, die Sonntage zum Teil zu unvergesslichen Erlebnissen gemacht haben. Ich hoffe wir sehen uns alle am Samstag
(Interview: Carsten Schmidt)