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Über Höhenflüge, bittere Phasen und Torhüter, die eigentlich Stürmer sein sollten…

Über Höhenflüge, bittere Phasen und Torhüter, die eigentlich Stürmer sein sollten…

Im zweiten Teil des Interviews der Woche mit den Vorstandsmitgliedern Carsten Schmidt und Andre Neuser werden ganz alte Anekdoten ausgekramt. Es geht aber auch um eine der schwersten Phasen, die der TSV Weißtal durchmachen müsste. Und natürlich auch um das Kunstrasenprojekt und den aktuellen Stand der Dinge….

Carsten, im Jahr 2012 musste der TSV die Erste Mannschaft noch vor dem ersten Landesliga-Spiel abmelden.  Du warst sozusagen mittendrin statt nur dabei…

Carsten: Das war die bitterste Phase, die ich in meiner mittlerweile elfjährigen Vorstandstätigkeit mitgemacht habe, es dürfte auch das schwärzeste Kapitel in der Vereinsgeschichte überhaupt sein. Der eigentliche Rückzug war ja keine allzu große Sensation mehr, da es die Spatzen bereits seit Wochen von den Dächern pfiffen. Als dann ein Spieler nach dem anderen dem Verein den Rücken kehrte, war der Prozess nicht mehr zu stoppen. Diese Zeit, bis man endgültig traurige Gewissheit hatte, war sehr nervenzehrend. Ständige Anrufe von Presse, Nachfragen von besorgten Mitgliedern, kübelweise Häme von Leuten, die sich über unsere Probleme freuten und Mitleid, von denjenigen, die das was passiert war, bedauerten. Von allem war etwas dabei.

Was genau waren die Gründe?

Die Gründe an sich sind vielschichtig. Letztlich muss man aber sagen, hat der Verein finanziell über viele Jahre „von der Hand in den Mund“ gelebt, was eine langfristige und strategische Planung sehr schwierig bis unmöglich gemacht hat. Das war in meinen Augen der Hauptgrund. Hinzu kamen, nennen wir es mal so, einige schwierige Charaktere aus dem Mannschaftsumfeld. Zudem entwickelten sich im geografischen Umfeld Vereine, die durch Mäzen oder Großsponsoren in der Lage waren, ganz andere Summen in den Spielbetrieb zu investieren als wir.

Rückblickend ist es aber als riesiger Erfolg zu betrachten, dass unser kleiner Verein es überhaupt geschafft hat, ohne Unterbrechung 9 Jahre lang oberhalb der Bezirksliga zu spielen und davon 4 Jahre in der Westfalenliga, was uns Bekanntheit bis ins Ruhrgebiet gebracht hat. Daran haben viele im Verein einen Anteil und darauf können wir stolz sein! Viele hätten uns das nie zugetraut und im Nachhinein sage ich immer noch, dass es trotz der „harten Landung“ eine tolle Zeit war und der TSV immer noch einen gewissen Namen hat. Beim TSV war immer was los und man schaffte den schwierigen Spagat zwischen höherklassigem Fußball und einem sehr familiären Umfeld, in dem auch richtig gefeiert werden konnte.

Also sind die Gedanken nicht nur negativ behaftet?

Auch wenn wir im Laufe der Jahre ohne Frage Fehler gemacht haben, sogar richtig große, wobei die meisten einfach aus Unwissenheit und Naivität begangen wurden, denkt man gerne schon mal an die „große Zeit“ zurück.

Dass wir es geschafft haben, 9 Jahre die Fahnen des TSV bis in den Ruhrpott hochzuhalten, ist der Verdienst von vielen, vielen Mitgliedern. Hervorheben möchte ich aber vor allem zwei Personen. Zum einen der damalige „Präsident“ Thomas Steiner, der den rasanten Aufstieg des TSV mit zwei Meisterschaften maßgeblich angeschoben hat. Zum anderen hat sein Nachfolger Markus Kühn, der den Verein damals in großer Not als erster Vorsitzender übernahm, sich große Verdienste erworben.

Letztlich muss man sagen, dass die sportlich erfolgreichen Jahre auch dazu genutzt wurden, in die Infrastruktur zu investieren und die Henneberg-Arena in ein Schmuckkästchen zu verwandeln. Man denke nur an die Tribüne mit Sitzschalen aus dem alten Müngersdorfer Stadion, den Küchencontainer, das Kassenhäuschen, den Container für den Stadionsprecher, den Geräteschuppen, die Unterstände, etc. Das tolle ist, dass das alles in Eigenleistung erstellt wurde. Ich glaube nicht, dass das alles entstanden wäre, wenn die Erste Mannschaft Kreisliga gespielt hätte.

Nicht nur sportlich lief es alles andere als gut. Auch der Vorstand schrumpfte in sich zusammen, einige Personen haben ihre Ämter aufgegeben. Warum bist du dem Verein treu geblieben?

Carsten: Das hat mehrere Gründe. Einerseits bin ich, wie ich weiter oben schon mal erwähnt habe, kein Typ, der mittendrin hinwirft. Andererseits war ich Mitglied des Vorstands, als die „Karre in den Dreck gefahren wurde“, also wollte ich mich nicht aus der Affäre stehlen. Ich wollte damals keinen Scherbenhaufen hinterlassen, sondern mithelfen, so gut, wie es geht, aus der Nummer wieder rauszukommen. In jeder Phase macht man gewisse Erfahrungen, die einen prägen. Natürlich gab es in dieser Zeit gewaltige Nackenschläge. Schade fand ich es, dass uns zum Beispiel langjährige Zuschauer den Rücken gekehrt haben, wobei ich dafür aus sportlicher Sicht Verständnis habe. Ich freue mich auch darüber, dass es manchen zurück in die Henneberg-Arena gezogen hat, wo man heute eine Mannschaft sehen kann, die ehrlichen Fußball spielt.

So gab es auch im Sommer 2012 neben allen Tiefpunkten auch gewisse aufmunternde Signale. Toll fand ich damals zum Beispiel, dass unser langjähriger Spieler René Neuser, der damals gerade seine Trainertätigkeit beim VfB Wilden beendet hatte, sich spontan für „nen Appel und en Ei“ als Spielertrainer für die Zweite, mit der wir ja dann in der A-Liga angetreten sind, da es keine Erste gab, zur Verfügung gestellt hat. Er wirkt ja bekanntermaßen heute noch sehr erfolgreich als Sportlicher Leiter mit. Auch dass einige wenige Spieler aus dem Landesliga-Kader Vereinstreue bewiesen haben, allen voran Sandor Karolyi, der als Ex-Profi mit damals knapp 30 Jahren noch ganz woanders hätte spielen können. Weiterhin kamen nach und nach ehemalige Spieler wir Oli Broska und André Neuser hinzu, die später Vorstandstätigkeiten übernahmen und mit angepackt haben. Eine schöne Geste war es von Florian Schnorrenberg, damals schon als Trainer in Diensten des TuS Erndtebrück, der mich einige Tage vor unserem Landesliga-Rückzug anrief und mir noch potentielle Spielerkandidaten inkl. Kontaktdaten durchgab, die für uns interessant waren.

Ich fülle den Vorstandsjob ja nicht bereits seit Jahrzehnten aus, aber ich denke, ich habe in den elf Jahren viel erlebt, im positiven, wie im negativen Sinne. Bei alle Ärger haben die positiven Seiten überwogen und ich habe eine Menge interessanter Menschen kennengelernt.

Glücklicherweise haben sich dann ein paar alte Weggefährten des Vereins gefunden und mit den verbliebenen Vorständlern Carsten Schmidt, Peter Kühn und Dirk Werthebach dem Verein zu helfen.

Du gehörst zu diesen Personen, Andre. Was war dein Ansporn?

Andre: Dieser Verein hat mir in meiner aktiven Zeit so viel gegeben, dass es für mich klar war, das man auch was zurückgeben sollte.

Fast fünf Jahre sind seit dem „Super-Gau“ vergangen, die Erste Mannschaft überwintert auf einem hervorragenden dritten Platz in der Bezirksliga, in der sie im vergangen Jahr aus der Kreisliga aufgestiegen war. Andere Vereine wären wahrscheinlich aufgrund der Verbindlichkeiten zugrunde gegangen. Wie hat es der TSV geschafft, wieder aufzustehen?

Carsten: Aus meiner Sicht ist es ganz wichtig, umgehend zu realisieren, dass man nicht mehr zum Kreis der ranghöchsten Teams gehört. Es bringt nichts, in alten Zeiten zu schwelgen, auch wenn man da gerne schon mal dran zurückdenkt und in bierseliger Runde die eine oder andere Anekdote nochmal aufgefrischt wird. Je schneller man in der Realität ankommt, desto besser ist das. Es galt also umzuschalten. Statt nach Gelsenkirchen, Herne oder Hagen ging es ab sofort nun Banfe, Elsoff oder Feudingen, was nicht abwertend gemeint ist. Aber für einen Verein, dessen Erste Mannschaft, die bis weit in die Saison hinein noch Chancen auf einen Aufstiegsplatz hatte, war das nun mal eine riesige Umstellung, weil der Rückzug ja nicht Monate oder Wochen vorher geplant war.

Während vor etlichen Jahren Spieler für relativ viel Geld auf den Henneberg kamen, hatte das im Laufe der Zeit schon nachgelassen, da wir seit Jahren schon nicht mehr über riesige Budgets verfügten. Wir konnten aber immer noch mit einer recht hohen Klasse und einem tollen Umfeld locken. Nun war nach dem Landesliga-Rückzug das Argument hohe Spielklasse nicht mehr vorhanden und auch das Umfeld war nach dem Absturz auch nicht mehr so euphorisch wie bei einer Landesliga-Meisterschaft. Wir hatten dann ein Jahr Zeit, eine Bezirksliga-Mannschaft aufzubauen, was aber sehr schwierig war, da wir keinem Neuzugang sagen konnten, wer sein zukünftigen Mitspieler sein würden. Letztlich hatten Rene und ich mit gefühlt über 50 Spielern gesprochen, trotzdem stiegen wir am Saisonende aus der Bezirksliga ab, was aber auch an einem riesigen Verletzungspech lag. Nun war der TSV in der A-Liga angekommen, aber die Erde drehte sich trotzdem weiter und irgendwann durchschreitet man auch die Talsohle, was uns ja, Stand heute, auch ganz gut gelungen ist.

Welchen Faktoren waren denn dann entscheidend?

Carsten: Schön zu sehen war, dass uns in dieser schwierigen Phase etliche Menschen unterstützt haben und das ist bis heute das große Faustpfand des TSV: Wenn es gilt, hält man zusammen.

Andre: Der Verein hat eine unglaubliche Kraft. Und wenn ich als „Auswärtiger“ eines hier gelernt habe, dann ist es dieser unglaubliche Zusammenhalt wenn es auch mal brenzlig wird. Natürlich war es von Vorstandsseite aus viel Arbeit, aber letztendlich haben wir das als Verein geschafft, was auch das Oktoberfest zeigt. Ich glaube die Leute haben wieder Spaß beim TSV, das zeigen beispielweise auch  so Personen wie Dirk Duschath oder Meni, die im Hintergrund unglaublich viel leisten, wenn es darauf ankommt.

Carsten: Hinzu kam, dass unsere Jugendabteilung bereits vor Jahren viele richtige Entscheidungen getroffen hatte. Hier sollte man in erster Linie den damaligen Jugendleiter Guido Ax mit seiner Mannschaft nennen, die trotz vieler Zweifler unsere D-Jugend für die U13-Nachwuchsrunde meldete und die Jugendabteilung es geschafft hatte, dass die C-Jugend in die Bezirksliga aufstieg. Damit war im jüngeren Jugendbereich der Schritt hin zu höherklassigem Fußball geschaffen. Christoph Sting, der mittlerweile auch schon seit einigen Jahren als Jugendleiter fungiert, hat es dann mit seinem Team geschafft, durch die Aufstiege der B- und A-Jugend nun alle Jugendteams ab der D-Jugend oberhalb der Kreisliga zu platzieren und der ein oder andere Jugendspieler wurde ja mittlerweile erfolgreich im Seniorenbereich integriert. Allerdings ist es ein großer Sprung für einen jungen Spieler, der aus der A-Jugend herauswächst, sich im Senioren-Bereich und hier insbesondere im Kader der Ersten Mannschaft zu etablieren.

Wenn aber der „Absturz“ einen positiven Aspekt hatte, dann der, dass der Sprung für die Jungs aus dem eigenen Nachwuchs nicht mehr so groß ist, auch wenn er noch anspruchsvoll ist. Früher, als wir noch Westfalenliga spielten und unsere A-Jugend einer untergeordnete Rolle in der Kreisliga, war es nahezu ausgeschlossen, dass ein Spieler diesen Sprung auf Anhieb schaffte. Das sieht heute anders aus, da besteht der 21 Spieler umfassende Kader unserer Ersten Mannschaft aus 9 Spielern, die aus der eigenen Jugend stammen.

Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass uns momentan zu Gute kommt, dass es, mit Ausnahme der Zweiten Mannschaft des TuS Erndtebrück, keinen Landes- oder Westfalenligisten in unserer Region gibt. Für Ober- und Regionalligisten, von denen wir vier Stück im näheren Umfeld haben, dürften unsere Spieler, bei aller vorhandenen Qualität, aber nicht in Frage kommen, zumindest noch nicht. Aus sportlicher Sicht gibt es also keinen Grund für einen Stammspieler, den Verein zu verlassen, zumal die Erste Mannschaft in der Hinrunde eindrucksvoll gezeigt hat, wozu sie in der Lage ist.

Wie sehen die Planungen mit den A-Jugendlichen aus?

Für die Zukunft haben wir angedacht, dass wir die A-Jugend-Spieler, die es nicht auf Anhieb in die Erste Mannschaft schaffen, über die Zweite Mannschaft aufzubauen. Die Zweite soll mittelfristig unser Perspektivteam werden. Der Zukunft sehe ich positiv entgegen. Um mal ein wenig zu träumen: Vielleicht schaffen wir ja irgendwann in ferner Zukunft sogar mal die Rückkehr in die Landesliga, dann aber mit einer Truppe, die hauptsächlich aus Eigengewächsen bestehen sollte.

Aktuell steht die Erneuerung des Kunstrasens auf dem Plan, die seit über einem Jahr vorangeschoben wird. Warum ist die so nötig für den TSV?

Andre: Das hat aus meiner Sicht drei Gründe: Wir haben eine sehr hohe Frequentierung, was man dem Platz inzwischen ansieht. Es ist aber auch die Voraussetzung für eine weiterhin hochklassige Jugendarbeit. Und: Umso länger es dauert, desto teurer wird es.

Carsten: Ganz einfach, weil unser Kunstrasen der älteste im Fußballkreis ist und zudem wahrscheinlich einer der meist genutzten. Auch wenn der Platz für seine über 15 Jahre, die er am Buckel hat, noch gut in Schuss ist, wird es Zeit, dass er seinen „verdienten Ruhestand“ antritt. Er hat seinen Dienst getan. Wir wollen unseren aktiven Junioren und Senioren bestmögliche Bedingungen bieten.

Andre, Du bist der „Kopf“ des Projekts. Kannst du uns mitteilen, wie der aktuelle Stand ist?

Andre: Aktuell sind wir bei 65.000€, 100.000 € müssen wir aufbringen. Es ist Wahnsinn, wie groß die Bereitschaft im Verein von Sponsoren und Mitgliedern ist, dieses unglaublich große Projekt zu unterstützen. Oliver Broska hat hier in unendlich vielen Gesprächen mit unseren Partnern tolle Arbeit geleistet. Wir befinden uns derzeit noch in guten Gesprächen und sind guter Dinge, das Projekt in diesem Sommer umzusetzen.  ABER es gilt: Es wird nur gemacht, wenn wir das Geld auch haben.

Du warst jahrelang für unsere 1. Mannschaft im Einsatz: Welches waren denn deine schönsten Momente in unserem Klub?

Andre: Sicherlich die zwei Aufstiege, daran erinnern wir uns alle gerne noch heute. Was da los war…Irre. Das muss man einfach miterlebt haben. Und mein erstes Verbandsligaspiel von Beginn an in Oestrich Iserlohn vor einer riesen Kulisse. Ich habe mich damals gemeinsam mit Michael „Hoppel“ Hoffmann warm gelaufen, der hat sich kaputt gelacht wie nervös ich war… Aber auch die Zeit in der 2. Manschaft unter Achim Werthebach,  wo ich einige Jahre Spielführer sein durfte, war unheimlich schön!!!

Die Transferliste im Fußball ist seit ein paar Tagen geschlossen. Es wird erzählt, dass der TSV sich vor einigen Jahren fast einmal richtig vergriffen hätte, als man Stürmer verpflichten wollte, aber stattdessen Torhüter auf der Matte standen. Kannst du uns diese kuriose Geschichte mal erläutern, Carsten?

Carsten (lacht): Boah, jetzt werden aber ganz alte Geschichten rausgekramt, wobei diese Story immer wieder gerne in launigen Bierrunden erzählt wird. Das Geschehen ist allerdings so alt, dass es noch vor meiner Vorstandszeit war. Ich glaube es war 2004 oder 2005, aber ich versuche sie mal wiederzugeben: Unser damaliger 1. Vorsitzender, Thomas Steiner, hatte einen Geschäftspartner in Bolivien, der sehr fußballinteressiert, aber leider der englischen Sprache nicht sehr mächtig war. Er hatte Thomas angeboten, Spieler aus Südamerika nach Deutschland zu schicken. Während Thomas „Goalgetter“, also Torjäger, haben wollte, trafen dann „Goalkeeper“, sprich Torhüter, in Gernsdorf ein. Die Jungs wurden dann eingekleidet, bewährten sich aber sportlich nicht. Transferflops hat es davor und danach, wie bei anderen Vereinen auch, zu genüge gegeben, aber dieser war recht kurios, vor allem wenn ich an die Gesichtszüge der Verantwortlichen denke, als sich die Jungs, einer nach dem anderen als Keeper vorstellten.

Gibt es eine weitere Anekdote oder ein Kuriosum vom TSV, was euch spontan einfällt und was wir unseren Lesern nicht vorenthalten sollten?

Andre: Oha… da gäbe es einiges zu erzählen.  Erwähnenswert ist sicherlich das nach einem Spiel in der Verbandsliga, ich glaube es war in Hassel und wir hatten 0:4 verloren, im Bus auf der Rückfahrt erst der 1.Vorsitzende Thomas Steiner am Mikro zurücktrat, dann der sportliche Leiter Martin Stockschläder und zu guter letzt auch noch unser Betreuer Nobbi… Das alles in Begleitung von reichlich Gerstensaft und Karnevalsmusik. Ich saß im Bus meist neben Rainer Willman, wir hatten Tränen in den Augen. Am nächsten Tag war aber wieder alles gut. Wie hat Carsten mal gesagt: Wir konnten auch Niederlagen feiern.

Carsten: Das stimmt. Langweilig war es bei TSV wirklich nie. Mit einem Schmunzeln denkt man immer noch an solche Busfahrten zu Auswärtsspielen ins Ruhrgebiet zurück, die teilweise Samba-Fahrten glichen. Vorne saß auf der Hinfahrt die Mannschaft, hinten die Fans, die literweise Gerstensaft verzehrten und das ein oder andere Zigarettchen rauchten, was heute unvorstellbar ist.

Highlights waren mit Sicherheit die jeweils letzten Spiele der Saison 2006/07 und 2007/08, als am letzten Spieltag vor großer Kulisse der Westfalenliga-Klassenerhalt perfekt gemacht wurde. Oder das Westfalenpokal-Spiel gegen den damaligen Oberligisten Oestrich-Iserlohn, als Konni Volz sich als Keeper auszeichnete und im Elfmeterschießen dreimal parieren konnte. Ein weiteres Knallerspiel war das Landesliga-Spitzenspiel im Jahre 2009 gegen Kaan-Marienborn vor über 1000 Zuschauern, als André Seither in der 94. Minute den 2:2-Ausgleich erzielte. Der damalige Spielertrainer Daniel Cartus hatte zwischenzeitlich aufgrund des 0:2 Rückstands Tobsuchtsanfälle. Lustig waren auch immer Gesprächsrunden mit unserem ehemaligen Sportlichen Leiter Marc Thomas. Wir haben oft Tränen gelacht, wenn es drum ging, neue Wortspiele zu erfinden.

Mit den Verantwortlichen aus Kornharpen wurde auch besonderes Verhältnis nachgesagt..

Carsten: Das war zu Verbandsligazeiten und wirklich toll.  Begonnen hatte das Ganze am 1. Oktober 2006: Die Anfahrt per Bus in den Bochumer Vorort verlief für Weißtaler Verhältnisse normal, auch wenn der Busfahrer fragte, ob wir aufgrund des Biervorrats, den wir einluden, drei Wochen bleiben wollten. Es war aber nur die Standard-Ration.

Vor Ort bekam unser Keeper Oliver Broska von unserem damaligen Ausrüster Jartazi ein Torwarttrikot aus der neuen Kollektion persönlich überreicht. Das knallrote Trikot hatte etwas mehr als eine Minute hinter sich, als Oli zum ersten Mal hinter sich greifen musste. Bis zur Halbzeit setzte es weitere 5 Einschläge, Thomas Steiner hatte der Mannschaft in der Halbzeit-Pause für die kommende Woche Platzverbot erteilt und ging danach geradewegs ins Sportheim, wo der Rest des mitgereisten Vorstands ebenfalls bei frisch Gezapftem am Tresen saß. In exakt diesem Sportheim hatte unser „Präsi“ vor dem Spiel auf einen Auswärtsdreier gewettet. Einsatz: Eine Lokalrunde. Die Anhänger der Hausherren, damals Oberliga-Absteiger mit dem Ziel des Wiederaufstiegs, erwiderten, dass sie selbst bei einem Punktgewinn des TSV eine Lokalrunde geben würden. Vom 0:7 erfuhren wir dann im Sportheim, während wir das 0:8, das den Endstand besiegelte, wieder vom Spielfeldrand aus sahen.

Unser Team hatte einen rabenschwarzen Tag erwischt. Der Vorsitzende von Kornharpen, Frank Weber, bemühte sich, unseren Frust mit etlichen Schnäpsen runterzufahren, was ihm ganz gut gelang, Tom hatte mittlerweile auch seine Wettschuld eingelöst. Mit reichlich Alkohol in der Blutbahn war auch diese Niederlage gar nicht mehr so schlimm. Jedenfalls hatte der Konrharpener Vorstand die Ankündigung wahr gemacht, zum Rückspiel einen Tag vorher anzureisen. Nur soviel: Es war ein langer und lustiger Samstag, der bis sonntags früh ging und in einem zünftigen Frühschoppen im Sportheim seinen Abschluss fand. Dass die Kornharpener die Punkte aus der Henneberg-Arena entführten, sorgte zeitweilig für etwas Missstimmung, da nachts gegen 4.30 zwischen den Vorständen vereinbart wurde, dass man 5:5 spielen wollte oder der TSV mit 7:6 gewinnen sollte. Dumm nur, dass die Mannschaften davon nichts wussten. Aber der Freundschaft tat das keinen Abbruch, es kam zu weiteren gegenseitigen Besuchen.

Das ist gewiss noch nicht alles, oder Carsten?

Nach dem letzten Spieltag der Saison 2006/07, als der TSV durch einen 2:0-Sieg über TuRa Rüdinghausen die Klasse halten konnte, lies sich sogar das Schiedsrichter-Gespann von der guten Stimmung der Klassenerhaltsfeier nach dem Spiel dermaßen anstecken, dass die Herren irgendwann merkten, dass niemand von ihnen mehr in der Lage war, das mitgebrachte KFZ zu steuern und sie wohnten nicht gerade „um die Ecke“, sondern in Dortmund. Auch dieses Problem wurde gelöst: Kurzerhand wurden im Vereinslokal „Drei Eichen“ Zimmer für die Unparteiischen gebucht, die sich im Laufe des Abends als wahre Feierbiester rausstellten.

In der Saison darauf, als die Mannschaft durch einen 1:0-Erfolg gegen den SV Herbede den Klassenerhalt ebenfalls am letzten Spieltag perfekt machte, hatte sich die Feier vom Vorjahr in der Schiedsrichterzunft rumgesprochen. Das Gespann, das zu diesem Spiel angesetzt war, hatte einen Fahrer mitgebracht und spuckte ebenfalls nicht ins Glas, allerdings ohne Übernachtung in Gernsdorf.

Der TSV wurde nicht ganz umsonst schon mal als „St. Pauli der Verbandsliga“ bezeichnet.

Wenn ihr drei Wünsche frei hättet, was würdet ihr euch speziell für den TSV Weißtal wünschen?

Andre: Die Umsetzung des Kunstrasenprojekts im Sommer, weiterhin die gute Integration der Jugendlichen in den Seniorenbereich um auch die Identifikation im Umfeld hoch zu halten und das der Verein in allen Abteilungen noch weiter zusammen rückt, was auch Vorstandsaufgabe ist.

Carsten: Sportlichen Erfolg, engagierte Mitglieder und dass sich der Verein das positiv verrückte bewahrt.